Beteiligen - Wahlen in der Schweiz und in Polen

Zwei Länder - zwei Wahlen und ein gemeinsames Thema - die hohe Wahlbeteiligung. Während letztere in Polen dazu führt dass die Wahllokale fast kollabieren und der unaussprechliche Zwilling abgewählt wird, stellt sich die Situation in der Schweiz anders dar. Offensichtlich hat die Rechte es mit einem zutiefst niedrigen Wahlkampf geschafft, ihre Wähler (und wohl auch Wählerinnen) zu mobilisieren. Interessant weil es doch eigentlich heisst, dass eine hohe Wahlbeteiligung eher den kleineren Parteien nützt - das hat für die Schweiz nur teilweise gestimmt - weil ja neben der SVP wenigstens auch die Grünen gewonnen haben.

Was mich jedoch eigentlich erschüttert ist die Frage der Wahlbeteiligung. In Polen lag diese bei 54% - und das war absoluter Rekord seitdem es freie Wahlen gibt. In der Schweiz lag die Wahlbeteiligung bei 50% - und das war der höchste Wert seit den 70er Jahren. Und in beiden Ländern waren das eben nicht irgendwelche Wahlen, sondern Richtungsentscheidungen basierend auf auffälligen Wahlkämpfen.

Nun - Gründe nicht wählen zu gehen gibt es natürlich ganz viele. In der Schweiz wird ja z.B. immer gesagt, dass aufgrund der Tatsache, dass sich mit den Wahlen eh nichts ändert (Konkordanzprinzip) die Leute auch nicht wählen gehen. Das erklärt nur nicht warum sie sich dann bei den zahlreichen Volksabstimmungen auch nicht äussern wollen. (wobei ich, am Rande bemerkt, schon sehr überrascht war über das politische Desinteresse meiner über 20 WG KollegInnen in der Schweiz - tw. durfte ich sogar ihre Wahlzetteln ausfüllen !!)

Und die eigentlich interessante Frage ist natürlich, wie sich die Nichtwähler aufteilen würden. Natürlich kann man sagen, dass Blocher nicht von 30% der Schweizer sondern nur von 15% gewählt wurde - doch das ist natürlich zu einfach gestrickt.

Hier in Österreich stellt sich die Lage ein bisschen anders dar. Die Wahlbeteiligung liegt üblicherweise um die 80% - das heisst wir können guten Gewissens sagen, dass wir unsere Regierung verdient haben.

Und was bleibt? Irgendwann wird sich bei sinkender Wahlbeteiligung die Legitimitätsfrage immer stärker stellen. Doch eine starke Beteiligung der Bevölkerung (wie in der Schweiz durch die zahlreichen Volksabstimmungen) führt offensichtlich nicht zur Insanspruchnahme eben dieser Beteiligung. Ein Teufelskreis - dem zu entkommen wohl große Bedeutung zukommt - eigentlich auch im Eigeninteresse der Politik.

Ach ja: und hier noch ein spannender Link zum Thema Wahlbeteiligung.
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acqua - 23. Okt, 23:21

Der Link ist interessant, auch wenn ich ihn nicht ganz gelesen habe.

Ich sehe es etwas anders als du: Bei Parlamentswahlen ist der Einfluss der Wähler einigermassen gross. Vor allem jetzt, da die Zauberformel gesprengt wurde hat die Zusammensetzung des Parlamentes einen recht grossen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundesrates. Dass dort seit vier Jahren ein konservativerer Wind weht ist deutlich spürbar.

Bei Abstimmungen hingegen - wenn ich mal von mir auf andere schliessen darf - kommt es leicht zu einer Überforderung der StimmbürgerInnen, sowohl mengenmässig als auch inhaltlich.
Wir haben pro Jahr drei bis vier Abstimmungstermine an denen jeweils auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene über bis zu vier Vorlagen entschieden wird. Falls ich nicht schon vor der schieren Menge an Informationen resigniere und seriös versuche, mir eine eigene Meinung zu bilden, komme ich fast bei jedem Thema an einen Punkt, wo mir eine eindeutige Entscheidung dafür oder dagegen nicht mehr möglich ist. Sei es, weil ich merke, dass ich dazu noch viel mehr Informationen bräuchte, sei es, weil sich die Informationen von unterschiedlichen Seiten diametral widersprechen oder weil ich irgendwann finde, dass sowohl die Pro- wie auch die Kontraseite ihre gewichtigen Argumente für sich hat.
Mir bleiben dann oft nur zwei Wege: Entweder richte ich mich nach den Abstimmungsparolen von Parteien und anderen Organisationen oder - und das halte ich oft für ehrlicher - ich enthalte mich der Stimme.

silmanja - 23. Okt, 23:46

liebe acqua

teilweise kann ich deine argumentation nachvollziehen - vor allem die überbordenden Informationen und das "zuviel" an abstimmungen. und dann gibt es ja auch noch die abstimmungen, die ich für zutiefst menschenfeindlich halte (damit meine ich das abstimmen über einbürgerungen auf lokaler ebene). trotzdem ist ja gerade in einer konkordanzdemokratie das abstimmen über vorlagen noch eine viel gewichtigere möglichkeit änderungen zu bewirken (da egal ob zauberformel oder nicht, ja doch die vier großen Parteien im Bundesrat vertreten sind).

Das mit dem Enthalten funktioniert wahrscheinlich am besten, wenn man wenig betroffen ist. trotzdem bin ich überrrascht, wenn man die entscheidung dann anderen überlässt, die sich ja zumeist auch nicht besser auskennen.

irgendwo habe ich auch das etwas seltsame argument gesehen, dass das Sinken der wahlbeteiligung in der Schweiz mit der einführung des frauenwahlrechts einhergeht
acqua - 23. Okt, 23:53

Was ich noch ergänzen möchte: Ich wollte nicht gegen das Abstimmen argumentieren, sondern beschreiben, wie ich dabei funktioniere. Ich versuche trotzdem immer wieder, mich so seriös wie möglich zu beteiligen.

Einen Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Frauenstimmrecht kenne ich nicht. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass Schweizer Frauen eine tiefere Stimmbeteiligung haben als Männer.
silmanja - 24. Okt, 08:43

klar - nur viele Männer bilden sich vielleicht schneller eine (wenn auch nicht qualifizierte) Meinung.

Zum Thema Frauenstimmrecht und Wahlbeteiligung siehe hier
acqua - 24. Okt, 09:32

Oh! Da habe ich mich anscheinend in getäuscht in den Schweizer Frauen.
Was weiss ich, wie wir hier ticken! Männer wie Frauen. Ich werde unser Verhalten wohl nie verstehen, das haben diese Wahlen wieder einmal gezeigt.
silmanja - 24. Okt, 23:40

ja, mich hat der artikel auch sehr überrascht

andererseits kann ich mir gar nicht vorstellen - dass eine Frauengeneration vor mir ohne Wahlrecht aufgewachsen ist....

und es geht einer oft nach wahlen so, dass man das verhalten der landsleute nicht wirklich verstehen kann ;-)
gulogulo - 24. Okt, 07:46

ich würde sagen, daß jeder, der nicht wählen geht, selbst dafür verantwortlich ist - und diese sollten dann die letzten sein, die sich über "die politiker" aufregen. deshalb sollte man diese nichtwähler nicht dazurechnen, wenn es um die legitimität einer regierung geht.

silmanja - 24. Okt, 08:56

im grunde ja - allerdings wird irgendwann das ganze system in Frage gestellt. Das gilt allerdings vor allem bei Wahlen von Interessensvertretungen (Hochschülerschft, diverse Kammern usw.), wo du in Verhandlungen dann einen sehr schlechten Stand hast, wenn nur 30% der Mitglieder wählen gegangen sind....

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